Seit über 750 Jahren befindet sich in Jenas Mitte die evangelische Stadtkirche St. Michael. Das kann man sowohl für das kirchliche Leben der Stadt als auch für deren geografische Lage behaupten. Gottesdienste und kirchenmusikalische Veranstaltungen prägen das Gotteshaus in diesen Tagen. Die Geschichte der Pfarrei lässt sich aufgrund von Schriftquellen bis in die Mitte des 13. Jahrhunderts zurückverfolgen. Die Kirchenmusik in der Stadtkirche wurde geprägt durch Organisten und Kirchenmusikdirektoren wie Johann Nikolaus Bach und Max Reger.
Der über mehrere Jahrhunderte errichtete und vervollständigte Bau der Hallenkirche mit Kirchturm wurde während des Zweiten Weltkrieges schwer in Mitleidenschaft gezogen. Stadt und Kirche wurden stark zerstört. In den Nachkriegsjahren bis 1956 fand eine eher notdürftige und einfache Rekonstruktion des Baus statt. Seit 1996 wurde und wird die Stadtkirche in Anlehnung an die Gestalt in der Mitte des 16. Jahrhunderts restauriert. Die Leitung der Maßnahmen hat Dombaumeister Prof. Wolfgang G. Deurer im Auftrag des Kirchbauvereins Jena e. V.
In diese Rekonstruktionsarbeiten wurde auch die Fa. Metallbau und Kunstschmiede von Andreas Schwarz aus Hetschburg eingebunden. Umfangreiche Neuanfertigungen großer Fenstergitter und Treppengeländer und Restaurierungen kleinerer Fenstergitter im gewünschten Stil des 16. Jahrhunderts bilden heute den Blickfang eines jeden Besuchers – sei er nun Kirchgänger, Tourist oder Einwohner der Stadt.
Da es eine sehr schwierige Arbeit war, musste vor den Arbeiten in Gesprächen mit dem Dombaumeister Prof. Wolfgang G. Deurer und dem Hauptauftragnehmer, der Fa. Bennert Restaurierung, genau durchgesprochen werden, wie die konkreten Anforderungen an Aussehen und Ausführung waren. Zuerst war deshalb ein Musterausschnitt der Gitter zu fertigen, um zu zeigen, dass die Kunstschmiede und ihr Meister den Anforderungen gewachsen waren, den Original Zustand der Gitter zu erzeugen. Das war allerdings nicht so einfach. Die Anfertigung erfolgte aus Vierkant-Stahl der Abmessung 16×16 mm. Die Schwierigkeit bestand nun darin, dass das Material auf Spieskant, also nicht durch die Flächen des Vierkants, sondern die Ecken zu Lochen waren. Hinzu kommt noch, dass dieses nicht im rechten Winkel erfolgen konnte, sondern mit einem Winkel von ca. 45 Grad.
Eigentlich musste das Muster gefertigt werden, weil sich Prof. Deurer nicht so richtig vorstellen konnte, dass eine Firma in der heutigen Zeit in der Lage war, Bauteile in dieser alten Technik anzufertigen. Etliche Firmen, bei denen angefragt wurde, lehnten deshalb den Auftrag ab. Aber Andreas Schwarz ist mit solchen Arbeiten schon länger vertraut, da er schon zu DDR-Zeiten auf der Wartburg bei Eisenach, aber auch einige Male in den vergangen Jahren, wie auf Schloss Altenstein bei Gotha derartige Arbeiten ausgeführt hatte.
Bei Übergabe der gefertigte Muster zur Begutachtung zeigte sich der Herr Architekt Dombaumeister Prof. Deurer sehr zu frieden und ließ sich genau erklären, wie die Anfertigung vonstattengegangen war.
Da aber viele Gitter nicht mehr da waren, musste der größte Teil neu angefertigt werden. Grundlage dafür waren einige noch verfügbare Fotos von den Gittern. Vor Ort wurden dann die genauen Maße der gotischen Gitter ermittelt.
Der Rahmen der Gitter wurde aus Winkelstahl 40x20x5 mm gefertigt. Der obere Teil wurde nach der Form des vorhandenen Sandsteinmauerwerks spitz nach oben gebogen. Danach wurde der Rahmen genommen und das innenliegende Muster, also die Füllung eingezeichnet. Damit konnte der eigentliche Teil der Arbeit beginnen. Als Erstes wurden die Vierkant Stäbe der Abmessung 16/16 mm zugeschnitten. Diese mussten aber etwas länger als das lichte Maß zugeschnitten werden, weil die Stäbe durch das Lochen ja kürzer werden. Nun musste angezeichnet werden, wo die Lochungen durchgeführt werden sollten. Anschließend wurde mit einem Kaltdorn vorgelocht. Diese vorgelochten Stäbe wurden dann im Schmiedefeuer erhitzt. Andreas Schwarz und sein Sohn Benedikt nahmen dann mit einer dazu gefertigten Hilfskonstruktion die Lochungen auf der Lochplatte vor. Zuerst kam ein kleiner Runddorn von 12 mm Durchmesser zum Einsatz. Danach in Vierkant übergehend und immer größer werdende Dorne. Dabei war immer die Schräglage der Lochung von 45 Grad zu berücksichtigen. Das war einerseits sehr kraftaufwendig, andererseits aber auch zeitaufwendig, da die Stäbe pro Lochung zweimal erwärmt werden mussten. Eine gewisse Rolle spielte natürlich auch die Übung. Mit der Zeit ging die Arbeit schneller von der Hand. Da es auch Stäbe mit Überlänge gab, mussten sie geteilt und zum Schluss dann wieder zusammengeschweißt werden. Zuletzt wurden die Stäbe am Ende etwas breitgeschmiedet, um sie dann in den Winkelrahmen einnieten zu können.
Die gelochten Stäbe wurden dann in die vorgefertigten Rahmen eingelegt und durch Nieten mit den Rahmen verbunden. Dabei stellte sich heraus, dass einige Stäbe noch einmal nachgelocht werden mussten, da die Schräge so nicht ganz gepasst hatte.
Die Befestigung im Mauerwerk erfolgte mit Stahlstiften, die am Rahmen befestigt waren und die in das Mauerwerk mit Zweikomponentenkleber der Fa. Hilti eingeklebt wurden.
Nach der Fertigung wurden die Gitter komplett feuerverzinkt. Den Abschluss bildet eine farbliche Elektro-Statik Beschichtung im Farbton DB.703 mit Zweikomponentenfarbe. Das Lackieren wurde in der eigenen Werkstatt ausgeführt. Danach wurden die Gitter und eine Tür montiert.
Zusätzlich wurden im vorderen und hinteren Eingangsbereich Außengeländer benötigt, die komplett gefehlt haben. Entsprechend den Zeichnungen von Andreas Schwarz wurden dazu zum Gesamtbild passende Geländer gefertigt. Die Stützen wurden aus rechteckigem Flachstahl der Abmessungen 25×30 mm und der Handlauf wurde aus Handlaufmaterial 45×15 mm gefertigt. Ein Untergurt aus Material der Abmessung 25×12 mm wurde mit dem Handlauf vernietet. Als Zwischenstäbe wurde Vierkantmaterial 22/22 mm verwendet, das in die Stützen auch wieder schräg eingelocht wurde. Da das Material sehr dicht ist, war es erneut kraft- und zeitaufwendig die Geländer zu fertigen, da man die einzelnen Teile drei Mal erwärmen musste.
Den Abschluss bildete eine Beschichtung. Alle Teile wurden wieder voll feuerverzinkt und farblich wie die Gitter beschichtet. Da es eine Natursteintreppe war, mussten bei der Montage mittig auf den Stufen Kernbohrungen mit einem Durchmesser von 50 mm und einer Tiefe von 250 mm ausgeführt werden. Die Befestigung erfolgte in diesem Fall so, wie es früher war – also mit Blei. Dazu wurden die Stützen vergossen, in der Fachsprache eingebleit. Danach wurden die Verbleiungen noch verstemmt. Dies ist einerseits eine sehr aufwendige Arbeit, andererseits aber auch nicht ganz ungefährlich, da die Löcher unbedingt vollständig trocken sein müssen, da es sonst zu einer Explosion und Verbrennungen mit großen gesundheitlichen Schäden kommen kann.